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Vom Grenzland zum Dreidoerfereck

"Hat Neudorf überhaupt so viele Einwohner?" war die -nicht ganz ernst gemeinte- Frage eines Besuchers beim Vortrag von Gudrun Kauck mit dem Thema Hesseldorf - Weilers - Neudorf - Vom Grenzland zum Dreidörfereck am 23.05.2015. 

Vom Grenzland zum 3-Dörfer-Eck

Tatsächlich war der Saal im Dorfgemeinschaftshaus Neudorf mit 150 - 200 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllt. Das unerwartet große Interesse führte sogar dazu, dass der für 19:00 Uhr geplante Vortrag etwas später begann, um dem Personal des Restaurants Meridian im DGH die Möglichkeit zu geben, eine Grundversorgung der Besucher mit Getränken sicher zu stellen.

Frank Schneider

Frank Schneider (Foto) begrüßte als Ortsvorsteher die Anwesenden und bezeichnete den Vortrag als Auftakt zu den Feierlichkeiten anlässlich des 650-jährigen Jubiläums von Neudorf, das im September mit einem Fest begangen werden soll.

„Die Kräfte der Vergangenheit formen den Menschen auch für die Zukunft. Dies geschieht öfter unbewusst als bewusst.“

Zitat von Dorflehrer Benno Stuhl aus dem Jahr 1962

Frau Kauck, die den Vortrag zusammen mit ihrem Mann Reinhard erarbeitet hatte, stellte schnell klar, dass aus historischer Sicht nicht viele Gemeinsamkeiten zwischen den drei doch so nahe beieinander liegenden Dörfern bestehen.

Frau Kauck am Anfang ihres Vortrages

Das begann bereits mit Kaiser Friedrich Barbarossa, der 1180 zur Sicherung seiner neu gegründeten Stadt Gelnhausen die Rechte am Reichsforst Büdinger Wald an verschiedene Adelsgeschlechter vergab. Er übertrug den Herren von Büdingen -durch Erbfolge später die Isenburger- das Recht auf Jagd und Waldnutzung. Die Herren Forstmeister von Gelnhausen (damals noch mit Sitz in der Burg Gelnhausen) erhielten die Kontrolle über den Holzeinschlag und die Verteilung von Nutz- und Bauholz. Diese Teilung führte immer wieder zu Streitigkeiten. 1365 erhielten die Forstmeister von Gelnhausen die Dörfer Aufenau, Neudorf und Hayn von den Herren von Lißberg als Lehen. Hesseldorf gehört seit seiner Ersterwähnung 1471 den Herren von Isenburg zu Büdingen; Weilers kommt nach dem Aussterben der Faulhaber 1624 in Erbfolge ebenfalls zum Isenburger Land. Es sollte trotz mancher Herrschaftswechsel über die Jahrhunderte so bleiben, dass die drei Dörfer meist zu drei unterschiedlichen Kleinstaaten gehörten.

Auch schlechte bzw. nicht vorhandene Straßenverbindungen und unsichere Brücken und Stege am Hochwasser-geplagten Zusammenfluss von Kinzig und Bracht erschwerten den Austausch zwischen den Dörfern. Und war doch einmal eine sichere Verbindung vorhanden wie die steinerne Bracht-Brücke in Hesseldorf (in der Nähe des heutigen Sportplatzes), so warteten ein Schlagbaum und der Brückenzoll, falls doch einmal ein Fußgänger oder Wagen aus dem einen Staat in den benachbarten reisen wollte.

Drei Dörfer im Grenzland

So bildeten Kleinstaaterei, schlechte Infrastruktur und der Vorläufer der heutigen Maut die Hindernisse zu einem Zusammenwachsen der drei Dörfer. Ob bei diesen Stichwörtern der eine oder andere Politiker hier vielleicht Parallelen zur aktuellen Situation im heutigen Europa sieht?

Doch es gab noch weitere Hindernisse: Da die Herrscherhäuser immer wieder unterschiedlichen Konfessionen angehörten (mal katholisch, mal evangelisch-lutherisch, mal evangelisch-reformiert), mussten die Bewohner der Kleinstaaten die jeweilige Konfession der regierenden Häuser annehmen. So wirkte auch die unterschiedliche Religionszugehörigkeit als unsichtbare Schranke zwischen den Dörfern.

Erst 1866 mit dem Frieden nach dem Deutschen Krieg fielen alle drei Dörfer an Preußen und waren damit erstmals in ihrer Geschichte in einem Staat vereinigt.

Doch auch danach gab es noch Trennendes: das Schulwesen. Die Schüler aus Hesseldorf und Weilers gingen zunächst nach Wächtersbach in die Schule, während die Neudorfer nach Aufenau mussten. Später bekamen zunächst Hesseldorf und dann Weilers und Neudorf (erst 1951) eigene Schulen. Im Zuge der Hessischen Schulreform wurden diese Zwergschulen 1972 aufgelöst und alle Schüler in der Gesamtschule in Wächtersbach (oder in anderen weiterführenden Schulen z.B. in Gelnhausen) unterrichtet.

Bereits zum 1.1.1971 waren die drei Gemeinden zu Stadtteilen von Wächtersbach geworden.

So bleiben als Gemeinsamkeiten der drei Dörfer die Seniorengemeinschaft, der Fußballclub, die Treffpunkt-Bücherei und der Mountainbike-Übungsparcours, und natürlich jetzt die gemeinsame Dorferneuerung.

Reiner und Gudrun Kauck nach dem Vortrag


Nach dem Vortrag von Frau Kauck und einer Pause gab es -sozusagen als "Zugabe"- noch eine Präsentation von Luftbildern unserer Dörfer aus dem Jahr 1957, die das Ehepaar Kauck und Wolfgang Seitz erwerben konnten.

Wolfgang Seitz und Gudrun Kauck

Viele Zuschauer konnten ihre Häuser und Gärten im Zustand von vor mehr als 50 Jahren sehen, was angeregte Diskussionen auslöste.

Anwesen Bäckerei Kistner-Henkel (1957)

Gegen 22:00 Uhr klang ein anregender Abend mit vielen wissenswerten Fakten über die drei Dörfer aus.


Das eine oder andere während des Vortrages gezeigte Foto konnte man in der Ausstellung 650 Jahre Neudorf wieder sehen, die beim Jubiläumsfest gezeigt wurde.